Alexander Sterzels "Faked
Biognosis"
Knifflige Bilderwelten in der Art-Room-Galerie
(Fürther Nachrichten 18.11.2015
von Reinhard Kalb)
Biologie
ist ein hochinteressantes Fach. Aber Biognosis? Unter dem Titel „Faked
Biognosis“ zeigt der Art- Room am Hauptbahnhof Bilder des Stuttgarters Alexander
Sterzel.
„Do you believe in Magic?“ Eine
Frage auf einem Bild, in schwarzer Schrift auf hellem Grund. Darum herum
befinden sich: zwei Äpfel, eine nackte Dame, ein Schutzengel, der die arme Seele
zum Himmel trägt, sowie zwei weitere Schriftzüge in Latein: „In silentio
fortitudo“ (In der Stille liegt die Kraft) und „Et spe erit vestra“ (Und
Hoffnung wird mit euch sein). Das alles klingt sehr religiös, anders gesagt: Es
handelt vom Kontakt zwischen Diesseits und Jenseits. „In silentio fortitudo“ war
angeblich ein Motto Martin Luthers. Und wer ganz genau hinsieht, entdeckt in der
Bildmitte ein Auge und, an der Grenze zur Wahrnehmung, den Umriss einer Gestalt
mit Barett und Kragen. Es ist dem bekannten Lutherbildnis von Lucas Cranach
nachempfunden.
Also nochmal: Engel mit Kind im Arm, das appelliert an die Sehnsucht nach Schutz
und Bemutterung. Äpfel: Baum der Erkenntnis. Latein: Sprachmagie. Zuletzt ein
hochbedeutsamer Theologe, der sich in ungreifbare Sphären verflüchtigt,
gleichwohl bis heute präsent bleibt. Solche Bilder malt Alexander Sterzel.
Gerne stellt er einen Künstler in den Mittelpunkt (Liszt, Schiller, Beethoven)
und gruppiert um diesen Accessoires und Nebenfiguren mit rätselhaften
Attributen. Hinzu treten Mädchen im Comic-Stil, stilisierte Umrisszeichnungen,
wie man sie in Medizinbüchern findet, Männer und Frauen in Fetischklamotten.
Klingt ziemlich chaotisch, ist aber von Sterzel mit Bedacht organisiert. Und
zwar nicht nur in der Raumverteilung, sondern auch in Plastizität und Farbwert.
Ist das Bild fertig, unterzieht es Sterzel einem Bleichungsprozess. Hierzu
überzieht er Bildpartien mit Lösungsmittel und lässt es eine Zeitlang einwirken.
„Es ist jedes Mal ein Risiko“, gesteht der Künstler. „Wenn es schief geht, muss
ich wieder von vorne anfangen.“
Sterzel malt Dinge, die die Seele des Menschen beschäftigen. Die Suche nach
Lusterfüllung. Die Suche nach einem höheren Sinn. Fündig wird der Mensch auf
vielerlei Gebieten. Dem Gebiet der Kunst, der Religion, der zwischenmenschlichen
Betätigungen. All dies wäre also Biognosis. Wenn Biologie das Wissen vom Leben
bedeutet, dann wäre Biognosis wohl die Erkenntnis vom Leben. Sterzel gibt
allerdings gar nicht vor, als Künstler den Weg und die Wahrheit gefunden zu
haben. Er macht lediglich einige Zugänge sichtbar. Dass er sie dabei zu
Altarbildern erhöht, ist eben das „Fake“-Element. Jedes Bild beansprucht, die
Wahrheit abzubilden. Aber der Künstler, der ein gutes Dutzend davon in petto
hat, weiß, dass sie nur verschiedene Zugänge darstellen.
Es geht auch einfacher: Auf einem anderen Bild ist im Hintergrund eine
stilisierte Dame in Leder zu bewundern, im Vordergrund eine gebleichte nackte
Schöne, hinter dem Horizont ein Männerkopf aus dem Biologiebuch, Kapitel
Nervenstränge. Wobei besonders auf den Sehnerv hingewiesen wird. So ist das mit
Leben und Sinn: Erst kommt das Versprechen, dann die Enthüllung und schließlich
der Hinweis auf unsere Wahrnehmung. So liegt die Schönheit wieder einmal im Auge
des Betrachters.
„Faked Biognosis“: Art-Room Galerie (Gebhardtstraße 2). Donnerstags 16-20,
freitags 15-19, samstags 14-18 Uhr. Bis 9. Januar.2016
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