Alexander Sterzel

MEDIZIN FÜR DIE VOLKSKRANKHEIT

von Petra Mostbacher-Dix M.A.

(Kunsthistorikerin und Journalistin)

 

Bandagierte Köpfe, verletzte Soldaten, Skelettteile, Religiöses - Alexander Sterzels Arbeitsblätter sind oft hart, aber faszinierend. Per Übermalung und Montage, aber auch mit historischen Fotos, Röntgenbildern, medizinischen Blättern oder purer Malerei schafft der 39-Jährige surreal anmutende Welten. Diese sind nun in der Galerie der Künstlergruppe "immodestia" in Ludwigsburg zu sehen: Im "Kulturwohnzimmer" zeigt Sterzel "Arbeiten 2004-2006".

 
 

 

Sie benutzten alte Fotografien, Röntgenaufnahmen, Operationsanweisungen. Warum malen Sie nun geheimnisvoll anmutende Bilder?
Erstere sind das perfektes Arbeitsmaterial, um mich künstlerisch auszudrücken. Die kleinen Arbeitsblätter, an denen ich seit Jahren arbeite und welchen ich alte Fotos hinzufügte, fand ich so spannend, dass ich damit auf die Leinwand wollte. So verbinde ich zwei, für mich absolut gleichwertige Medien. Zudem halte ich es mit Dostojewskij: "Der Mensch ist ein Geheimnis. Ich beschäftige mich mit diesem Geheimnis, denn ich will ein Mensch sein."

Ist "Fremdartige Anatomische Wildnis" also ein surrealer Blick auf das Leben?
Ich wollte die Zusammenhänge des Lebens in visueller Form festhalten, also alles, was man mit dem Begriff Leben verbindet. Ich stieß auf ein Buch, das sich mit Organverpflanzungen beschäftigte. Mir war klar, dass ich diesen medizinischen Vorgang auf die psychologische und emotionale Ebene in Form von Bildern übertragen muss. Dort skizziere ich meine Gedanken und Emotionen. Ich gebe zu, sie wirken selbst auf mich manchmal schräg und befremdend.



Sie erinnern oft an Filme von Bunuel oder Lynch.
Ich liebe die Arbeiten von Bunuel und Lynch! Aber Bildermacher - Ausnahme Cocteau - haben mich nicht wissentlich beeinflusst. Dagegen gaben mir Schriftsteller wie Kafka oder der Komponist Pärt mit seiner Musik gewaltige Denkanstösse, die sich auch in meiner Arbeit manifestiert haben.

Sie sagten einst, gäbe es mehr Künstler, gäbe es weniger Kriege. Kunst als Friedensbringer?
Wir alle fallen auf den äußeren Schein der täglichen Normalität herein. Bei Menschen, bei denen Innen- und Außenwelt auseinanderfallen, bleibt die Menschlichkeit aus - ohne sie gibt es selten Frieden. Dem "vernünftigen" Handeln der Herrschenden sind wir alle ausgeliefert. Dabei führt es nur in die Destruktivität. Ein Künstler hat aber meist die Wurzeln zu seiner Innenwelt erhalten, kann daher der Volkskrankheit Realismus entfliehen. Er beschäftigt sich mit den Musen, diese wiederum werden bestimmt keine Armeen in andere Länder senden.